Herz + Verstand
Da gab es mal einen Teil, das trug den Namen Herz und ein anderes Teil nannte sich Verstand. Irgendwie hatten beide das Gefühl, als redeten sie jahrelang aneinander vorbei. So machten sich das Herz und auch der Verstand auf die Suche nach dem anderen.
Sie begegneten sich auf einem Gipfel. Und das war gut so, denn so konnten sie sich besser unterhalten. Wären sie da geblieben, woher sie kamen, wäre eine Verständigung fast schon unmöglich gewesen. Weil sie so in ihrer eigenen Welt geblieben wären und hätten ihren Platz niemals verlassen. Sie begrüßten sich gegenseitig und der Verstand fing an zu erzählen:
„Ich hatte eine sehr unangenehme Reise. Auf dem Weg hier her, fing es plötzlich an zu schneien und ich hatte meine Mütze und den Schal vergessen. Dabei ist das doch so wichtig, damit ich nicht friere oder krank werde. Denn so ist es doch!“
Daraufhin erzählte das Herz:
“Meine Reise hierher war sehr schön. Als es anfing zu schneien, war mir, als würden hunderte kleiner Schneeflocken mein Gesicht massieren und der Schnee glitzerte auf den Bergen in silbernen Farben.“
“Liebes Herz, ich glaube, mir wird das erste Mal richtig bewusst, dass ich auf Deine innigsten Gefühle keine Rücksicht genommen habe. Du liegst da völlig richtig, was Du da über mich sagst. Nur ich würde es gerne etwas anders formulieren. Ich muss meine Ansichten bewahren, um keine Fehler zu machen und alles gut durchdenken und durch zu spielen. Durch diese Stellung habe ich Dein Interesse total unterdrückt. Nein – auslachen tue ich Dich bestimmt nicht. Ich dachte, so wie ich es mache ist es richtig. Ohne Rücksicht auf andere dabei zu nehmen. Ob ich dabei immer Recht habe, bezweifle ich nun. Doch aus den Fehlern, die ich mache, können andere nur lernen. Ich habe mich nur in meiner Welt aufgehalten, ohne zu schauen, wer noch Bedürfnisse hat. Ich glaube, ich sollte lernen offener und flexibler zu sein, um rücksichtsvoller und gerechter zu werden. Vielleicht geht es mir und Dir dann auch besser im Erledigen unserer Aufgaben.“
Das Herz ist gerührt von so viel Verständnis und ihm läuft eine Freudenträne über die Wange:
„Lieber Verstand, noch nie hast Du mir so viel Verständnis geschenkt wie jetzt. Doch was kann ich Dir schenken?“
Der Verstand lächelte das Herz liebevoll an, umarmte es und sagte:
„Du bringst mich Dir ein ganzes Stück näher. Danke, dass ich Dich kennen lernen durfte. Ich wünsche mir von Dir, dass Du etwas mehr Selbstvertrauen bekommst, um Deine Anliegen ins Sonnenlicht zu stellen, damit ich sie erkennen kann.“ Das Herz umarmte ebenfalls den Verstand und empfand das Gefühl von Geborgenheit, kleine Anzeichen von Gelassenheit und den Hauch von Freiheit.
Da verschmolzen die beiden für einen Augenblick und beschenkten sich gegenseitig.